Jeden Tag passieren unzählige schwere Verkehrsunfälle.
1994 erwischte es den erst 17-jährigen Sepp Bartl aus Riedering.
Alkoholisiert prallte er mit seinem Moped gegen einen Baum.
Er wird gerettet: Schwer verletzt und mit vorübergehendem Schädel-Hirn-Trauma.
Es folgen diverse Operationen und eine dreijährige Rehazeit.
Trotz aller intensiven Bemühungen bleiben Konzentrations- und
Sprachprobleme sowie eine Gehbehinderung. Depressionen und andere
psychische Probleme kommen hinzu. Mit dieser tiefen Selbstfindungskrise
gehen alsbald auch Alkoholprobleme einher. Doch dann entdeckt er den Sport für sich.
Wir sprachen mit Sepp Bartl, der vor kurzem seine Biographie veröffentlichte.
RN: Hast Du vor Deinem Unfall schon Sport gemacht?
Bartl: Nein, eigentlich nicht. Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden. Da mussten wir in der Freizeit immer mithelfen.
RN: Wie hast Du den Sport dann für Dich entdeckt?
Bartl: Als es mir psychisch nach dem Unfall du der langen Rehazeit wieder einmal so richtig schlecht ging, hat mich ein Freund mit auf den Berg genommen. Da habe ich gemerkt, dass mir das sehr gut tut. Ich bin immer öfter und bald auch im Laufschritt auf den Berg rauf. Später hab ich dann das Bergradeln angefangen und bin ins Fitness-Studio gegangen. Das war ein Riesenschritt für mich, weil ich da überhaupt niemand gekannt habe und mir damals sowieso nichts zutraute. Gott sei Dank waren die alle gleich sehr nett zu mir und haben mich sehr unterstützt.
RN: Seither hast Du sportlich mehr geschafft als die meisten Hobbysportler jemals erreichen werden.
Bartl: Obwohl mir die Ärzte immer wieder gesagt haben, dass Laufen aus orthopädischer Sicht nach dem Unfall nichts für mich sei, bin ich im Jahr 2000 meinen ersten Marathon in München gelaufen. Da war ich unglaublich stolz darauf. 2002 habe ich dann für einen guten Zweck bei einem 24 Stunden-Lauf mitgemacht. Aber das Laufen reichte mir bald nicht mehr. 2004 bin ich beim Ironman-Triathlon in Roth gestartet, habe ihn aber noch nicht geschafft. Ein Jahr drauf hab ich es dann aber gepackt.
RN: Klingt nach extremer Willensstärke.
Bartl: Na ja, ich bin schon hartnäckig, wenn ich ein Ziel verfolge. Aber seit ich mit dem Sport angefangen habe, habe ich von so vielen Freunden und Sportgeschäften in der Region so große Unterstützung bekommen, ohne die ich es auch finanziell nie geschafft hätte, mich auf ein so sportives Leben einzulassen.
RN: Wie sehen Deine weiteren sportlichen Pläne aus?
Bartl: Nächstes Jahr im Juni will ich mit einem Freund mit dem Rennrad an den Gardasee fahren und im Juli zum dritten Mal am Ironman in Roth teilnehmen. Heuer habe ich mir eine Auszeit vom Wettkampf genommen. Ich habe sehr viel trainiert, bin viel geschwommen, viel gelaufen. Vor allem Bergläufe auf die Hofalm. Zur Zeit gönne ich mir aber eine Ruhephase.
RN: Du hast jetzt mit 29 schon Deine Biographie geschrieben. Warum?
Bartl: Ich will Menschen, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben wie ich, einen Auftrieb geben und ihnen sagen, dass man es schaffen kann. Ich hatte das Glück, von meiner Familie, meinen Freunden nach dem Unfall so große Unterstützung zu bekommen. Viele bekommen das aber nicht und wissen dann oft gar nicht, für was sie denn überhaupt noch kämpfen sollen. Gut. Das habe ich zwar selbst auch mal nicht gewusst, aber durch den Sport dann wieder gelernt. Gelernt, dass man immer an sich glauben muss. Der Glaube an sich kann wirklich Berge versetzen.
RN: Und Dein Glaube an Gott?
Bartl: Der auch. Der ist mir auch sehr wichtig. Ich war zwar schon vor meinem Unfall gläubig, bin es jetzt aber noch mehr. Ich gehe oft in die Kirche. Einfach, um dort auch zur Ruhe zu kommen, über mich und das Leben nachzudenken. Es ist für mich ein Ort, wo ich mich wieder ganz auf mich selbst besinnen kann. So ähnlich geht es mir übrigens auch, wenn ich auf den Berg gehe. Auch dort finde ich immer die Ruhe zu mir selbst.
RN: Glaube und Sport sind also zwei ganz elementare Dinge in Deinem Leben?
Bartl: Das stimmt. Und das wird auch immer so bleiben.
Buchtipp: Josef Bartl: Immer wenn das Licht kam. Biographie. August von Goethe Literatur-verlag 2006. 110 Seiten. 8,90 €. ISBN 3-86548-613-4.
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