Nachbarn im Gespräch:

Beinahe wäre ich gestorben - Geschichte eines Unfalls

Von Gabriele Schmidt-Zesewitz (OVB Weihnachten 1994)
Riedering — Der 15. Mai 1994. Auf der Landstraße zwischen Söllhuben und Schaidering ereignet sich ein schwerer Verkehrsunfall – Josef Bartl, zwei Wochen vorher ist er gerade mal 17 Jahre alt geworden, liegt lebensgefährlich verletzt im Wald. Er verblutet langsam. Von der Straße aus ist der junge Mann nicht zu sehen. Im Protokoll des Notarztes liest man später: „Mit dem Ableben ist zu rechnen." Doch dieser Sonntag soll nicht der Todestag von Josef Bartl werden - es wird sein zweiter Geburtstag. Der Beginn einer zweiten Chance, wie sie unter diesen dramatischen Umständen nur wenigen geschenkt wird.

Nüchtern ausgedrückt war die Lebensrettung des Zimmererlehrlings eine Verkettung unglücklicher Zufälle – sicher auch eine Meisterleistung der Medizin. Andere, die alles hautnah miterlebt, die mitgelitten haben, sprechen von einem Wunder. Als Josef – viele Wochen lang - im Koma lag, haben sie gebetet.
Als die Ärzte meinten, der Patient werde, („wenn, überhaupt") wegen des enormen Blutverlusts mit einer Gehirnschädigung aus dem Koma erwachen, als sie prophezeiten, dass das rechte Bein wohl totalamputiert werden müsse – da hat das ganze Dorf Mühlham bei Söllhuben um Hilfe gebetet. Die Eltern, Anneliese und Johann Bartl, haben Wallfahrten gemacht, und immer hat einer an Josefs Bett gewacht.

Nüchtern ausgedrückt war die Lebensrettung des Zimmererlehrlings eine Verkettung unglücklicher Zufälle, sicher auch eine Meisterleistung der Medizin. Andere, die alles hautnah miterlebt, die mitgelitten haben, sprechen von einem Wunder. Als Josef — vier Wochen lang — im Koma lag, haben sie gebetet. Als die Ärzte meinten, der Patient werde, ("wenn überhaupt") wegen des enormen Blutverlusts mit einer Gehirnschädigung aus dem Koma erwachen. Als sie prophezeiten, dass das rechte Bein wohl totalamputiert werden müsse — da hat das ganze Dorf Mühlham bei Söllhuben um Hilfe gebetet. Die Eltern, Anneliese und Johann Bartl haben Wallfahrten gemacht, und immer hat einer an Josefs Bett gewacht. . .

Sieben Monate später: Weihnachten 1994. Josef Bartl hat eine Woche „Urlaub" vom Behandlungszentrum Vogtareuth bekommen. Er wird den Heiligen Abend daheim feiern. „Mein einziger Wunsch: dass es aufwärts geht und ich alles noch gut durchsteh'." Dann: „Ich hatte bisher so extrem viel Glück — meine Schutzengel werden mir schon weiter zur Seite stehen. Ich habe überlebt, jetzt werde ich das Leben auch meistern. Es wird alles wieder gut." Tatsächlich klingen die (vorsichtigen) Prognosen der Ärzte heute fast wie ein Wunder: Josef Bartl hat die besten Chancen, wieder hundertprozentig gesund zu werden. Sein schönstes Weihnachten, das schönste für seine Eltern, die Schwester und den Bruder.
Zwischen diesem Tag und dem Unfall liegen 222 Tage voller Angst und Schmerzen, voller Verzweiflung und Hoffen. Lange Wochen, in denen nur qualvolle Therapien dem verletzten Körper helfen konnten. Denn als
Josef Bartl aus dem Koma erwachte, konnte er nicht sprechen, der linke Arm und das linke Bein waren gefühllos, nicht zu bewegen. „Ich habe lange nicht, geglaubt, dass ich je wieder laufen kann. Es war eine harte Zeit, eine Quälerei.“
Die Erinnerung an den Unfall kommt erst langsam zurück. Aber: „Als ich im Rosenheimer Krankenhaus lag, habe ich den Unfall unglaublich realistisch nachgeträumt. Bis in die kleinste Einzelheit. Es war ein Alptraum.“ Gegen 22:30 Uhr an jenem 15. Mai war der Lehrling mit seinem Moped auf dem Heimweg. Wenige Kilometer von seinem Elternhaus entfernt passierte es: „Ich wurde von einem entgegenkommen Wagen derart geblendet, dass ich mit meinem Moped von der Straße abkam, einige Meter durch den Wald raste und gegen einen Baum prallte. Ich blieb bewusstlos liegen.“ Die Diagnose der Ärzte: Oberschenkelfraktur, Schädelhirntrauma, Unterarmfraktur. Außerdem war im Oberschenkel eine wichtige Ader gerissen - das Blut floss in Strömen ins Gewebe und nach außen. Akute Lebensgefahr. Doch nun reite sich ein glücklicher Zufall an den anderen. Die Wunder, die Josef Bartl dass Leben retteten.

Der junge Mann lag mit dem Kopf bergab, dadurch wurde sein Gehirn trotz des enormen Blutverlusts noch ausreichend versorgt. Trotzdem, niemand hätte den Verletzten bei der Dunkelheit im Wald rechtzeitig entdeckt — wäre sein Moped nicht nach dem Aufprall vom Baum zurück auf die Straße geschleudert worden. Der nächste Glücksfall: Unmittelbar nach dem Unfall fuhr Michaela Hanisch dort vorbei, sah das demolierte Moped — und machte das einzig Richtige. Sie alarmierte Kreisbrandinspektor Sebastian Ruhsamer, der nur etwa 200 Meter vom Unfallort entfernt wohnt. Nun ging alles Schlag auf Schlag. Der Feuerwehrkommandant eilte zu dem Verletzten, rief per Funk Polizei und Notarzt und leuchtete die Unfallstelle aus. Schon acht Minuten später traf der Notarzt ein und konnte dank des Lichts, und der bereits geleisteten Ersten Hilfe sofort dass Notwendige tun. Ein Wettlauf gegen die Uhr begann. Ein Wettlauf, der nur um Sekunden, vielleicht um zwei, drei Minuten gewonnen wurde. Eine Ärztin in Vogtareuth: „Der Josef ist dem Tod im letzten Moment von der Schippe gesprungen."
Dank der Ärzte und Pfleger und dank einer jungen Frau und eines Feuerwehrkommandanten, die beide ohne zu zögern alles taten, um dass Leben eines anderen zu retten.

Ein Unfall von vielen tausenden, die allein in unserer Region geschehen. Der Rettungsdienst des Bayerischen Roten Kreuzes Rosenheim zählt allein rund 3000 Einsätze pro Monat – vom Krankentransport bis zum stillgestandenen Herzen, vom Verkehrsunfall bis zur Messerstecherei. 57 Rettungsassistenten und Rettungssanitäter sind rund um die Uhr im Einsatz, um zu helfen. Und: Über 630 ehrenamtliche Mitarbeiter stellen Ihre Freizeit in den Dienst der guten Sache. In einem Jahr leisten sie etwas 60 000 Einsatzstunden freiwillig und unentgeltlich. „Nur“ um Leben zu retten, um zu helfen. Oft sogar ohne Dank.

Josef Bartl hat es geschafft, und das verdankt er einigen wenigen Menschen, vielen glücklichen Fügungen. Am 15. Mai wurde ihm ein neues Leben geschenkt, das er nun bewusster lebt und mehr genießt als sein voriges.„Der Unfall hat mein Leben total verändert. Ich sehe jetzt alles von einer anderen Seite, bin dankbar für das, was ist. Meine Zukunft? Ich warte ab und lasse alles auf mich zu kommen. Ich lebe, und ich freue mich meines Lebens wie nie zuvor." Er lacht. Ein Gaudibursch war der „Joe" immer und ist es gottlob geblieben. „Ohne Humor stehst' das eh nicht durch. Da musst du Gaudi machen und Blödsinn, sonst verzweifelst. Und zum verzweifeln ist mir mein neues Leben zu kost bar. Lachen ist wirklich die beste Medizin." Doch seit dem Unfall mischen sich auch nachdenkliche Minuten in den Alltag. Dass er lebt, sieht er eben so als Verpflichtung. „Das schulde ich denen, die mich gerettet haben. Und den vielen, die für mich gebetet haben. Danke."